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Aktuelles (Seite 38)

 

04.10.2018

OVG Münster weist die Berufung des AGVDE gegen das Urteil des VG Düsseldorf vom 30.04.2015 wegen fehlender Grundrechtsfähigkeit als unbegründet zurück, lässt aber die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu

Am 17.09.2018 hat vor dem Oberverwaltungsgericht Münster der Termin zur mündlichen Berufungsverhandlung in unserem Prozess gegen das Land NRW wegen des NRW-Tariftreuegesetzes, auf den wir fast drei Jahre haben warten müssen, stattgefunden. Den Ter­min haben unser Prozessbevollmächtigter (RA Dr. Moll von der Sozietät HeukingKühn Lüer Wojtek) und der Verbandsgeschäftsführer Dr. Ackmann wahrgenommen.

Vorgestern ist uns das Urteil des OVG in dieser Sache zugestellt worden. Leider hat das OVG unter eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage unsere Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des VG Düsseldorf als unbegründet zurückgewiesen. Dabei hat das Gericht sich auf dieselbe Begründung gestützt wie schon das VG: Der AGVDE könne eine Verletzung seines Grundrechts aus Artikel 9 Grundgesetz (Koalitionsfreiheit) durch das NRW-Tariftreuegesetz nicht geltend machen, weil seine Mitglieder deutlich überwiegend (zu mindestens 70 %, in NRW sogar zu 90 %) von öffentlich-rechtlichen Gesellschaftern (insbesondere Kommunen) beherrscht seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könnten derart öffentlich-rechtlich beherrschte Unternehmen, auch wenn sie selbst in privater Rechtsform (als AG oder GmbH) betrieben würden, nicht Träger von Grundrechten sein. Einer der wenigen vom Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle liege hier nicht vor. Wenn aber die klare Mehrheit der AGVDE-Mitglieder nicht Grundrechtsträger sein könnten, könne auch der AGVDE als von ihnen beherrschter Arbeitgeberverband nicht Grundrechtsträger sein, obwohl er selbst keinerlei hoheitliche Staatsaufgaben wahrnehme und keine hoheitlichen Kompetenzen habe.

In der mündlichen Verhandlung hat das OVG deutlich gemacht, dass die hier aufgeworfene interessante Rechtsfrage bezüglich eines Arbeitgeberverbands, dessen Mitglieder überwiegend öffentlich-rechtlich beherrscht sind, bislang vom Bundesverfassungsgericht noch nicht behandelt und entschieden worden sei. Da die Rechtsfrage durchaus grundsätzliche Bedeutung habe und nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Bundesverwaltungsgericht (als nächste Instanz) und letztlich das Bundesverfassungsgericht sie anders beantworten würden als VG und OVG, werde man in jedem Fall die Revision zulassen. Das OVG wolle es dem Bundesverwaltungsgericht oder dem Bundesverfassungsgericht überlassen, für die hier vorliegende Konstellation eines Arbeitgeberverbands mit überwiegend öffentlich-rechtlich beherrschten Mitgliedern die bisher ungeklärte Frage der Grundrechtsfähigkeit positiv zu beantworten (falls diese Gerichte für diese Konstellation eine neue Ausnahme von dem o.g. Grundsatz für angebracht hielten).

Auf der Basis seiner vorgenannten Rechtsauffassung brauchte das OVG Münster sich zu der uns eigentlich interessierenden Frage der Verfassungsmäßigkeit des NRW-Tariftreuegesetzes nicht zu äußern und hat dies in der Verhandlung auch nicht ausdrücklich getan. Nach dem gemeinsamen Eindruck, den Herr Dr. Moll und Herr Dr. Ackmann hatten, wäre das OVG, wenn es zu dieser Frage noch Stellung genommen hätte, aber durchaus geneigt gewesen, der Auffassung des VG Düsseldorf (in dem damaligen Parallelverfahren des NWO gegen das Land NRW) zu folgen und die Frage der Verfassungsmäßigkeit dem NRW-Verfassungsgericht oder dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen (selbst hätte auch das OVG die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes nicht abschließend feststellen können, da dies den Verfassungsgerichten vorbehalten ist). Jedenfalls hat das OVG in keiner Weise auch nur angedeutet, dass es die damalige Entscheidung des VG Düsseldorf, das von einer Verfassungswidrigkeit des Gesetzes ausgegangen war, für unzutreffend halten würde. Angesichts der vom OVG unaufgefordert zugelassenen Revision gegen sein Urteil hätte es nahe gelegen, hierzu einen entsprechenden Hinweis zu geben, wenn das OVG in der Frage der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes anderer Ansicht als das VG Düsseldorf gewesen wäre (denn dann hätte unsere Revision ja im Ergebnis doch keinen Erfolg).

Angesichts der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung dieses Verfahrens für den AGVDE und seine Mitglieder, die angesichts vergleichbarer Tariftreuegesetze in fast allen Bundesländern weit über das Land NRW hinausgeht, hat der geschäftsführende AGVDE-Vorstand einstimmig beschlossen, die vom OVG zugelassene Revision zum Bundesverwaltungsgericht fristgerecht einlegen und anschließend durch unsere Anwälte begründen zulassen.

Über den weiteren Fortgang des Verfahrens werden wir Sie zeitnah unterrichten.

 

Dr. A.