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Aktuelles (Seite 2)

 

14.09.2009

Stellungsnahme des AGVDE zu den Forderungen der GDL für einen „Flächentarifvertrag für das Eisenbahnfahrpersonal“ der Mitgliedsunternehmen des AGVDE

Mit Schreiben vom 31.07.2009 (eingegangen am 07.08.2009) hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) unseren Verband zur Aufnahme von Tarifverhandlungen zu einem neuen „Flächentarifvertrag für das Eisenbahnfahrpersonal“ aufgefordert.

Mit weiterem Schreiben der GDL vom 13.08.2009 (eingegangen am 21.08.2009) wurde uns nun der angekündigte Entwurf eines „Flächentarifvertrag für das Eisen­bahnfahrpersonal (EFPTV)“ zugeleitet, der nach den Vorstellungen der GDL nur für Lokomotivführer und Zugbegleiter von Eisenbahnunternehmen (nicht nur des SPNV !) gelten soll. Nach dem Willen der GDL soll dieser Tarifvertrag mit dem AGVDE, anderen Arbeitgeberverbänden (Agv MoVe; AVN) und einigen Unternehmensgruppen abgeschlossen werden.

Die GDL begründet ihre Forderung damit, dass nur ein künftig einheitliches Entgeltniveau der für den SPNV-Wettbewerb maßgeblichen Berufsgruppen der Lokomotivführer und der Zugbebegleiter Wettbewerbsverzerrungen verhindern könne. Insbesondere solle auf diese Weise verhindert werden, dass Konkurrenz mit Niedrig- oder sogar Dumpinglöhnen besser bezahlenden SPNV-Unternehmen Aufträge wegnehme. Die GDL strebt daher an, diesen Flächentarifvertrag im Vergaberecht für SPNV-Leistungen als so genannten repräsentativen Tarifvertrag zu verankern.

Das Vorgehen der GDL ähnelt damit dem Vorgehen der TG TRANSNET/GDBA vom Dezember 2008, über das wir mit Rundschreiben Nr. 2/2009 (NE u. SB) vom 19.01.2009 berichtet haben.

Der Tarifvertragsentwurf enthält lediglich Vorschriften zur Arbeitszeit (grundsätzlich 1984 Stunden im Kalenderjahr = 38 Stunden pro Woche; volle Anrechnung der gesamten Schichtzeit, abzüglich nur der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestruhepausen als Arbeitszeit), zum Urlaub (mindestens 30 Tage jährlich), zur Eingruppierung und zur Höhe der Jahresbruttovergütung. Sonstige Manteltarifvertragsbestimmungen fehlen in dem Entwurf vollständig und sollen zu einem späteren Zeitpunkt jeweils unternehmensspezifisch durch Tarifvertrag geregelt werden.

Die Jahresbruttovergütung orientiert sich dabei ganz offen­sichtlich am Tarifni­veau des „Marktführers“ DB AG und soll bei einer Arbeitszeit von durchschnittlich 38 Stunden pro Woche (bei höherer Arbeitszeit entsprechend höhere Jahresbruttovergütung) für sog. „Lokführer national“ in sechs Stufen zwischen 31.723 und 37.617 € (inklusive Zulagen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit) liegen.

1. Vergleich mit den derzeitigen Jahresbruttovergütungen für Lokführer nach dem aktuellen ETV (Stand 31.08.2009)

a) Ein „Vergleich“ mit den derzeitigen Jahresbruttovergütungen für Lokführer nach dem aktuellen ETV ist schwierig, da es sich um völlig unterschiedliche Vergütungssysteme handelt. Das in dem Entwurf eines „Flächentarifvertrag für das Eisenbahnfahrpersonal (EFPTV)“ vorgesehene Vergütungssystem basiert auf „Berufserfahrung“; familienbezogene Vergütungsbestandteile sind nicht vorgesehen. Das für Angestellte geltende Vergütungssystem des ETV basiert hingegen derzeit noch auf dem Lebensalter und familienbezogenen Vergütungsbestandteilen (Ortszuschlag).

b) Nach unseren Berechnungen variieren die tariflichen Jahresbruttovergütungen (ohne Zulagen) für Lokführer nach dem aktuellen ETV derzeit in der Praxis regelmäßig zwischen 26.211 € (Lokführer, unverheiratet, keine Kinder, 30 Jahre alt, Verg.Gr 5/Stufe 5 ETV) und 37.234 € (Lokführer, verheiratet, drei Kinder, 45 Jahre alt, Verg.Gr 8/Stufe 13 ETV). Dabei wurden die für Einstellungen nach dem 31.12.2004 geltenden Werte (also ohne vermögenswirksame Leitungen und mit nur 50 % Sonderzuwendung) berücksichtigt; sofern vor dem 1.1.2005 eingestellt wurde, sind die Jahreswerte um 1.000 € - 1.500 € höher. In diesen Zahlen sind Arbeitgeberbeiträge zur tariflich vorgeschriebenen betrieblichen Altersversorgung berücksichtigt, wobei ein Arbeitgeberbeitrag von 3,5 % an die Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen (Abt. A 2000) zu Grunde gelegt wurde. Das nach § 23 Abs. 12 ETV zu gewährende „Streckengeld“ wurde nicht berücksichtigt.

Nach Angaben zahlreicher Mitgliedsunternehmen des AGVDE (diese Angaben decken sich mit dem bei der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen vorhandenen Datenmaterial) sind neu eingestellte Lokführer in der Regel nicht jünger als 30 Jahre, weshalb vorstehend bei der Anfangsvergütung die Verg.Gr. 5/Stufe 5 ETV zu Grunde gelegt wurde. Bei im Einzelfall jüngeren Lokführern kann die Anfangsjahresbruttovergütung somit niedriger sein. Bei älteren Lokführern und insbesondere bei Lokführern, denen familienbezogene Bestandteile des Ortszuschlags zu gewähren sind, kann die Anfangsjahresbruttovergütung allerdings auch deutlich höher sein. So beträgt z.B. die Anfangsvergütung (ohne Zulagen) für einen neu eingestellten 30 Jahre alten verheirateten Lokführer mit 1 Kind im Bereich des ETV derzeit 28.279 € und mit zwei Kindern 29.428 €.

Was die „Endvergütungen“ angeht, wurde vorstehend die Verg.Gr. 8/Stufe 13 des ETV zu Grunde gelegt. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Lokführer nicht in allen ETV-Unternehmen bis in die Vergütungsgruppe 8 ETV hinein eingruppiert werden, da diesbezüglich tarifliche Vorgaben fehlen. Nach der Anmerkung 6 der Anlage 1 zum ETV ist die Vergütungsgruppe 6 die höchste tariflich vorgeschriebene Eingruppierung für Lokomotivführer im Triebwagendienst. Die Endvergütung für einen ledigen Lokführer der Verg.Gr. 6/Stufe 8 ETV ohne Kinder würde danach nur 28.290 € (bei einem verheirateten Lokführer mit drei Kindern 32.210 €) betragen. Jedoch wird in vielen Mitgliedsunternehmen die Eingruppierung als Ober- bzw. Hauptlokführer (Verg.Gr. 7 bzw. 8) praktiziert.

c) Hinzuweisen ist nochmals darauf, dass die hier für den ETV angegebenen Jahresbruttovergütungen auf der tariflichen ETV-Arbeitszeit von durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich basieren und noch keine Zulagen für Nacht-, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit beinhalten, während die von der GDL geforderten Jahresbruttovergütungen diese Zulagen beinhalten sollen, allerdings auf einer Arbeitszeit von durchschnittlich 38 Stunden basieren. Die von der GDL geforderten Jahresbruttovergütungen einschließlich Zulagen auf durchschnittlich 39 Stunden hochgerechnet ergeben somit Werte von 32.558 € (= 31.723 dividiert durch 38 und multipliziert mit 39) und 38.607 € (= 37.617 € dividiert durch 38 und multipliziert mit 39).

2. Von der GDL in ihrer Broschüre „Zahlen, Fakten, Hintergründe zum Flächen-Eisenbahnfahrpersonaltarifvertrag“ vorgenommener Einkommensvergleich

In diesem Zusammenhang ist auch auf eine von der GDL zu diesem Thema zwischenzeitlich herausgegebene Broschüre „Zahlen, Fakten, Hintergründe zum Flächen Eisenbahnfahrpersonaltarifvertrag“ hinzuweisen. Diese Broschüre enthält auf S. 13 für Lokführer einen Einkommensvergleich zwischen verschiedenen Tarifverträgen, der unseres Erachtens bezüglich unseres Flächentarifvertrags “ETV“ ein unzutreffendes Bild über die typische Vergütungshöhe von Berufsanfängern vermittelt und auch an manch anderer Stelle mit erheblichen Fragezeichen zu versehen ist. Soweit in diesem Tarifvergleich außer dem LfTV und dem ETV andere Tarifbereiche aufgeführt sind, sind die für diese anderen Tarifbereiche ausgewiesenen Zahlen von uns vorerst noch nicht auf ihre Schlüssigkeit überprüft worden.

a) Für den LfTV ist in diesem Einkommensvergleich für einen Lokführer, 25 Jahre alt, keine Kinder, 2 Jahre Berufserfahrung, zunächst ohne Zulagen ein monatliches Netto von 1.550 € monatlich ausgewiesen, wobei die Steuerklasse I zu Grunde gelegt wurde. Um auf diesen Nettobetrag zu kommen, muss der Bruttobetrag 2.505 € betragen (nach Abzug von Lohnsteuer (St.Kl. I), Soli, Kirchensteuer (es wird mit 9 % gerechnet) und der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung auf der Basis der aktuellen Beitragssätze ergibt sich aus einem Bruttobetrag von 2.505 € der von der GDL ausgewiesene Nettobetrag von 1.550 €.). Erklärtermaßen hat die GDL Jahressonderzahlungen (die jährliche Zuwendung beträgt nach dem LfTV 50 %) auf die Monate umgelegt. Da das Monatstabellenentgelt für Anfänger nach dem LfTV seit dem 1.2.2009 2.250 € beträgt, die vermögenswirksamen Leistungen 13,29 € monatlich, und sich aus der Zuwendung (50 % von 2.250 €) ein Monatsbetrag von 93,75 € ergibt, macht dies brutto zunächst nur 2.357,04 € monatlich aus. Da aber von monatlich brutto 2.505 € ausgegangen wird, muss ein weiterer Betrag von 147,96 € berücksichtigt worden sein, wobei nicht ersichtlich ist, was dies für ein Betrag sein soll. Vermutlich wurde in erheblichem Umfang eine Fahrentschädigung berücksichtigt, die gem. § 74 LfTV in Höhe von 6,65 € pro Schicht zu gewähren ist. Nach unserem Kenntnisstand rechnet die DB AG an dieser Stelle aber immer nur mit 14 Schichten im Monat, d.h. die Fahrentschädigung kann diesen Betrag von 147,96 € nicht erklären. Es steht also zu vermuten, dass bei der Berechnung für den Bereich des LfTV von einem zu hohen Monatsbrutto ausgegangen wurde, um auf einen möglichst hohen Nettobetrag zu gelangen und so die Differenz zum ETV höher aussehen zu lassen. Nur wenn man diesen vermutlich auf die Fahrentschädigung zurückzuführenden Betrag von 147,96 brutto mit berücksichtigt und somit von einem monatlichen Brutto von 2.505 € ausgeht, ist der für den LfTV seitens der GDL ausgewiesene Nettobetrag von 1.550 € schlüssig.

b) Im Vergleich dazu wird von der GDL für den Bereich des ETV ein Nettowert (ohne Zulagen) von 1.310 €/Monat angegeben. Macht man den Versuch, einen entsprechenden Nettowert für den Bereich des ETV zu errechnen und legt man den von der GDL verwendeten (untypischen) „Mustermann“ zugrunde, ergibt sich nach der Verg.Gr. 5/Stufe 3 ETV zunächst eine Monatsvergütung von brutto 1.892,44 € (= 1.337,46 € Grundvergütung + 495,82 € Ortszuschlag + 59,16 € Amts- und Stellenzulage). Legt man auch die Sonderzuwendung (946,22 €) und die Leistungs- und Treueprämie (613,55 €) auf den Monat um, ergibt dies einen monatlichen Bruttobetrag von insgesamt 2.022,42 €. Berücksichtigt man – da im Bereich des LfTV die Fahrentschädigung berücksichtigt wurde - im Bereich des ETV auch noch das Streckengeld (gerechnet mit 30 € monatlich), ergibt sich somit ein monatlicher Bruttobetrag von insgesamt 2.052,42 €. Nach Abzug von Lohnsteuer (St.Kl. I), Soli, Kirchensteuer (es wird mit 9 % gerechnet) und der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung auf der Basis der aktuellen Beitragssätze ergibt sich aus diesem Bruttobetrag ein Netto von 1.335 €/Monat, der etwas über dem von der GDL für den Bereich des ETV angegebenen Betrag von 1.310 € Netto/Monat (ohne Zulagen) liegt.

c) Auch wenn der im von der GDL gebildeten Beispiel 1 für den Bereich des ETV angegebene Nettowert/Monat (ohne Zulagen) somit auf den ersten Blick (in etwa) zu stimmen scheint, muss doch folgendes stark relativierend berücksichtigt werden:

aa) In der von der GDL vorgenommenen „Nettorechnung“ werden nicht die zusätzlichen Arbeitgeberbeiträge für die betriebliche Altersversorgung abgebildet. Wird ein Arbeitgeberbeitrag von 3,5 % (Abt. A 2000) an die Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen zu Grunde gelegt, macht dies bei dem in Rede stehenden 25-jährigen Mustermann 69 € monatlich (steuerfrei) aus, die dem Arbeitnehmer zwar nicht „ausgezahlt“ werden, ihm aber doch wirtschaftlich in Form einer Zusatzrente zu Gute kommen.

bb) Die GDL hat ihr Beispiel 1 ferner bewusst so gewählt, dass familienbezogene Vergütungsbestandteile nicht zum tragen kommen; das vermittelt kein Abbild der durchschnittlichen Realität. Wäre der von der GDL abgebildete 25-jährige Mustermann so z.B. verheiratet und hätte er ein Kind, ergäben sich schon ganz andere ETV-Werte. Dann wäre zusätzlich ein Ortszuschlag in Höhe von 172,39 € monatlich zu berücksichtigen. Damit wären monatlich insgesamt brutto 2.224,81 € zu Grunde zu legen, was netto 1.418 €/Monat ergibt. Schlägt man diesem Betrag die 69 € zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag zur betrieblichen Altersversorgung hinzu – was man unseres Erachtens seriöser weise tun muss -, ergibt sich ein Betrag von netto 1.487 €/Monat. Damit wäre eine Differenz Netto/Monat (ohne Zulagen) im Vergleich zum LfTV zwar immer noch vorhanden, sie wäre bei weitem aber nicht so groß, wie bei einem ledigen Lokführer ohne Kinder von der GDL angenommen.

cc) Wir hatten außerdem bereits oben darauf hingewiesen, dass der 25-jährige Lokführer bei unseren ETV-Unternehmen der klare Ausnahmefall sein dürfte. In der Regel sind die Lokführer bei der Einstellung älter (in der Regel nicht jünger als 30 Jahre), was auch zu höheren Vergütungen führt.

Legt man einen 30 Jahre alten „Mustermann“ (verheiratet, 1 Kind) zugrunde, was die durchschnittliche Realität in unseren ETV-Unternehmen am ehesten abbilden dürfte, ergibt sich nach der Verg.Gr. 5/Stufe 5 ETV nach Umlegung der Sonderzuwendung und der Leistungs- und Treueprämie auf den Monat und unter Einbeziehung des Streckengeldes eine Monatsvergütung von brutto 2.314 €, woraus sich ein Netto von 1.462 €/Monat ergibt. Schlägt man diesem Betrag den zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag zur betrieblichen Altersversorgung hinzu (hier 72 € monatlich), ergibt sich ein Betrag von netto 1.534 €/Monat. Damit wäre keine nennenswerte Differenz Netto/Monat (ohne Zulagen) im Vergleich zum LfTV vorhanden!

d) Was die in dem Einkommensvergleich der GDL ausgewiesenen durchschnittlichen Zulagen/Monat angeht (LfTV: ca. 200 €; ETV: ca. 25 €), wurde nach Rückfrage bei der GDL für den Bereich des ETV mit 32 zuschlagspflichtigen Nachtstunden, 5,5 zuschlagspflichtigen Samstagsstunden, 12 zuschlagspflichtigen Sonntagsstunden und 2,5 zuschlagspflichtigen Feiertagsstunden gerechnet. Bei dem LfTV wurden, da dort die zuschlagspflichtigen Zeiträume etwas anders definiert sind, mit 38,9 zuschlagspflichtigen Nachtstunden, 0 zuschlagspflichtigen Samstagsstunden (einen Zuschlag für Samstagsarbeit kennt der LfTV nicht), 14,75 zuschlagspflichtigen Sonntagsstunden und 3,66 zuschlagspflichtigen Feiertagsstunden gerechnet.

Auf der Basis dieser Stundenzahlen und der im LfTV geregelten Zulagensätze pro Stunde (Nacht: 1,28 €/Sonntags: 4,00 €/Feiertags: 4,52 €), unter Berücksichtigung einer nach dem LfTV zu gewährenden von der Anzahl der im Monat geleisteten Nachtarbeitsstunden abhängigen Schichtzulage (bei 38,9 Stunden: 56,24 €) und unter Berücksichtigung des weiteren Umstands, dass nach dem LfTV bei Schichtbeginn/Schichtende zwischen 24 Uhr und 4 Uhr weitere Zulagen zu zahlen sind, ist der von der GDL für den Bereich des LfTV ausgewiesene Zulagenbetrag von ca. 200 € monatlich somit schlüssig. Berechnet man die von der GDL für den Bereich des ETV zu Grunde gelegten insgesamt 52 zuschlagspflichtigen Stunden mit 0,51 € (§§ 16, 16a ETV) je Stunde, ergibt sich ein Wert von 26,52 € monatlich, also „ca. 25 €“, wie die GDL schreibt.

Diese Betrachtungsweise der GDL basiert letztlich auf Stundenzahlen, die vor einiger Zeit von der DB AG für die eigenen Lokführer im Bereich SPNV ermittelt wurden. Ob diese angenommenen Stundenzahlen aber für ETV-Eisenbahnunternehmen „repräsentativ“ sind, erscheint äußerst fraglich, weil die angenommenen zuschlagspflichtigen Stunden stark von der Struktur der jeweiligen Verkehre und auch vom konkreten Personalbestand abhängig sind. Unbestreitbar sind die Zulagensätze pro Stunde für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit im Bereich des LfTV höher als diejenigen des ETV. Die Differenz im monatlichen „Gesamtnetto“ wird somit größer, wenn mehr zuschlagspflichtige Stunden zu Grunde gelegt werden.

Für ETV-Unternehmen, bei denen bei Lokführern entweder wegen der Struktur der Verkehre oder allein deshalb, weil mehr Personal vorgehalten wird, aber deutlich weniger zuschlagspflichtige Stunden anfallen, stimmt die Rechnung allerdings nicht mehr. Hier würden sich auf der Basis der für ein solches ETV-Unternehmen geltenden zuschlagspflichtigen Stundenzahlen auch nach dem LfTV insgesamt nur geringe Zulagen ergeben; d.h. in einem solchen Fall würden die Zulagen in einer seriösen Vergleichsberechnung zwischen LfTV und ETV kaum für eine Differenz im Gesamtnetto sorgen.

Im Übrigen sei hier nur ergänzend angemerkt, dass eine nicht geringe Zahl von ETV-Unternehmen tatsächlich übertariflich höhere Zulagensätze zahlt als der ETV vorschreibt, so dass der pure Tarifvergleich die Realität nur sehr unvollkommen wiedergibt.

e) Was das von der GDL im Einkommensvergleich berechnete Beispiel 2 (40 Jahre alter Lokführer, zwei Kinder) angeht, kommt auch die GDL im Vergleich zwischen dem LfTV und dem ETV bei dem Netto/Monat (ohne Zulagen) für beide Tarifbereiche zu fast identischen Werten. Der für den Bereich des ETV ausgewiesene Wert Netto/Monat (ohne Zulagen) deckt sich mit unseren Berechnungen. Bei einem Lokführer mit Eingruppierung in die Verg.Gr. 7 /Stufe 10 kommen wir unter Berücksichtigung der betrieblichen Altersversorgung exakt auf den von der GDL ausgewiesenen Nettowert. Erfolgt eine Eingruppierung nur bis in die Verg.Gr. 6 ETV, liegt der Wert Netto/Monat (ohne Zulagen) ca. 50 € unter dem von der GDL ausgewiesenen Wert.

Was die für dieses Beispiel von der GDL ermittelten Werte (ohne Zulagen) angeht, dürfte also nach den eigenen Zahlen der GDL kein Handlungsbedarf bestehen. Was die Zulagen angeht, gilt das vorstehend unter Buchstabe d) zu dem Beispiel 1 Gesagte entsprechend.

3. Gesamtbewertung

Der geschäftsführende Vorstand des AGVDE (Herren Dr. Bender, Schweizer und Dr. Ackmann) haben dem GDL-Vorsitzenden Herrn Weselsky sowie dem Leiter der GDL-Abteilung Tarifpolitik Gelling in einem seit längerer Zeit anberaumten Spitzengespräch am 19.08.2009 im Hause des AGVDE unmissverständlich deutlich gemacht, dass das GDL-Ziel eines neuen GDL-Flächentarifver­trags für das Eisenbahnfahrpersonal mit den tarifpolitischen Zielsetzungen des AGVDE in keiner Weise zu vereinbaren ist und dass der AGVDE für Tarifverhandlungen über einen solchen neuen GDL-Flächentarifvertrag für Lokomotivführer und Zugbegleiter nicht zur Verfügung stehen und diesen auch nicht abschließen wird.

Begründet haben wir unsere grundsätzliche Ablehnung gegenüber den neuen Zielen der GDL zunächst damit, dass der AGVDE nicht neben seinem traditionellen Flächentarifvertrag, dem Eisenbahntarifvertrag (ETV), der ja auch für Lokomotivführer und Zugbegleiter gilt, einen zweiten konkurrierenden Flächentarifvertrag abschließen kann. Eine solche Konkurrenz von Flächentarifverträgen für bestimmte Personale (Lokführer und Zugbegleiter) in denselben Unternehmen würde zu untragbaren Verhält­nissen bei den betroffenen AGVDE-Mitgliedern führen. Insbesondere würde es angesichts der seit Jahrzehnten üblichen arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklau­seln auf den ETV, die ja ihre Gültigkeit nicht verlieren würden, zu größten praktischen Anwendungsschwierigkeiten bezüglich der konkurrierenden Tarifverträge kommen. Auch dürfte den anderen Beschäftigungsgruppen kaum zu vermitteln sein, dass die Vergütungen für Lokführer (und ggf. auch Zugbegleiter) künftig separat verhandelt werden sollen und diese „Spezialisten“ sich auf Kosten der anderen Sonder­vorteile erkämpfen.

Besonders leicht gemacht wurde uns die grundsätzliche Ablehnung der GDL-Pläne dadurch, dass Herr Weselsky, der sich ansonsten um einen sehr moderaten Ton bemühte, unmissve­ständlich zu verstehen gab, dass der neue GDL-Flächentarifvertrag sich ohne Abstriche am Ta­rifniveau des „Marktführers“ DB AG orientieren müsse; hierüber könne angesichts der eindeutigen Beschlüsse der GDL-Gremien nicht verhandelt werden.

Demgegenüber haben wir für den AGVDE deutlich gemacht, dass neben den schwerwiegenden grundsätzlichen Bedenken gegen konkurrierende Flächentarifverträge verschiedener Gewerkschaften gerade auch dieses Diktat des DB-Niveaus für den angestrebten neuen GDL-Flächen­tarif­vertrag dem AGVDE Verhand­lungen hierüber unmöglich mache.

In diesem Zusammenhang haben wir sehr ausführlich dargelegt, dass der „Marktführer“ DB AG im Wettbewerb eine erhebliche Zahl von sonstigen Vorteilen genieße (z.B. Rabatte bei der Fahr­zeugbeschaffung in großen Stückzahlen, bessere Konditionen bei der Fremdfinanzierung neuer Fahrzeuge, bessere Einkaufsbedingungen bei allen Arten von Betriebsmitteln, höhere Mengenrabatte bei den Trassenpreisen, usw.). Gerade im Hinblick auf diese zahlreichen und er­heblichen Wettbewerbsvorteile der DB AG sind die konkurrierenden NE-Bahnen nicht in der Lage, ihren ohnehin nur vergleichsweise kleinen Wettbewerbsvorteil bei den Personalkos­ten aufzugeben. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass dies für viele NE-Bahnen eine Exis­tenzfrage ist.

Der GDL-Vorsitzende Weselsky behauptete demgegenüber zweimal, die Löhne des Eisenbahnfahrpersonals bei Wettbewerbern der DB AG seien teilweise so niedrig, dass diese ergänzend Lohnersatzleistungen des Staates beantragen müssten, um zu überleben. Wir haben diese Behauptung mit Nachdruck zurückgewiesen, soweit es um vollbeschäftigte Lokomotivführer und Zugbegleiter geht, auf die vom AGVDE abgeschlossene Tarifverträge (Flächentarif ETV oder firmenbezogene Tarifverträge) Anwendung finden; die vom AGVDE und seinen gewerkschaftlichen Tarifpartnern vereinbarten Vergütungen als „Hungerlöhne“ zu bezeichnen, sei infam. Dieser Teil der Diskussion zeigt jedoch, auf welchem Niveau sich die Diskussion über angemessene Lohnhöhen bei Eisenbahnfahrpersonal inzwischen bewegt.

Die GDL hat auf ausdrückliche Frage der Vertreter des AGVDE außerdem erklärt, sie habe nicht die Absicht, sich mit den konkurrierenden Gewerkschaften ver.di und TG TRANSNET/GDBA bezüglich der Lokomotivführer-Vergütungen ins Benehmen zu setzen; hierüber wolle man vielmehr ganz allein entscheiden. Von den Bemühungen der TG und einiger großer NE-Bahnen (z.B. Ve­olia, Arriva, Abellio, Keolis, Hochbahn), gemeinsam mit ver.di und der GDL über einen Branchen- oder Rahmentarifvertrag für den Bereich des SPNV zu verhandeln, wisse man auf Seiten der GDL lediglich aus der Presse. Hieran bestehe seitens der GDL kein Interesse.

Abschließend wurden die sehr unterschiedlichen Einschätzungen der AGVDE-Vertreter einer­seits und der GDL-Vertreter andererseits darüber deutlich, welche Linie die Politik nach der Bundestagswahl 2009 bezüglich des Wettbewerbs im Eisenbahnverkehr, bezüglich der Festlegung von Sozialstandards (einschließlich des Vorschreibens eines ganz bestimmten Tarifniveaus) bei Ausschreibungen und der Anwendung des § 613a BGB auf die Neuver­gabe von Verkehrsleistungen einschlagen wird. Die GDL geht hierbei offenbar davon aus, dass die Zeit des Wettbewerbs auch über die Höhe von Personalkosten endgültig vorbei ist und die Politik künftig das (höchste) Tarifniveau des Marktführers DB AG allen anderen Wettbewerbern ebenfalls vorschreiben wird. Ob diese Einschätzung zutrifft, ist sicherlich sehr zweifelhaft, bleibt aber letztlich abzuwarten.

Angesichts der völlig konträren Positionen von AGVDE und GDL in zentralen Fragen der künftigen Tarifpolitik für den Bereich der NE-Bahnen, muss mit einer Fortsetzung und evtl. Intensivierung des schon seit Monaten bestehenden Konfrontationskurses gerechnet werden. Mit Blick auf die für uns und unsere Mitglieder völlig inakzeptablen Ziele der GDL werden sich die betroffenen Mitgliedsunternehmen und der AGVDE diesem Kampf stellen müssen. Ein Ausweg in Gestalt einer vertretbaren Verhandlungs- und Kompromisslösung ist nicht in Sicht, solange die GDL allen Wettbewerbern das DB-Tarifniveau aufzwingen will.

Anm.: Soweit vorstehend Nettolöhne ermittelt wurden, wurde der Brutto/Nettolohnrechner auf der Internetseite www.nettolohn.de verwendet.