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Aktuelles (Seite 30)

 

30.04.2015

AGVDE-Klage gegen das Land NRW wegen des Tariftreue- und Vergabegesetzes (Verwaltungsgericht Düsseldorf, Az.: 6 K 2894/13) nach mündlicher Verhandlung am 30.04.2015 in I. Instanz abgewiesen

Zuletzt hatten wir Sie mit Aktuell-Mitteilung vom 26.03.2015 darüber informiert, dass das Verwaltungsgericht Düsseldorf in unserem Verfahren gegen das Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes NRW einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 30.04.2015 anberaumt hat. Dieser Termin hat heute Vormittag stattgefunden.

Etwas überraschend und rechtlich zweifelhaft hat das VG Düsseldorf unsere Klage als unzulässig mit der Begründung abgewiesen, der AGVDE könne eine Verletzung des Grundrechts aus Artikel 9 des Grundgesetzes (Koalitionsfreiheit) nicht geltend machen, weil die überwältigende Mehrheit seiner Mitgliedsunternehmen zwar privatrechtliche Gesellschaften (AG bzw. GmbH) seien, jedoch über ihre Gesellschafter (meist Kommunen, Kreise oder Länder) öffentlich-rechtlich dominiert seien.

Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass die öffentliche Hand (Bund, Länder, Kreise und Kommunen) selbst nicht Träger von Grundrechten sein können und deshalb die Verletzung von Grundrechten auch nicht vor Gericht geltend machen können. Nach der Rechtsprechung gilt dies auch, wenn die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf privatrechtliche Gesellschaften (z.B. AG bzw. GmbH) zurückgreift, die sie als alleiniger oder Mehrheitsgesellschafter beherrscht.

In der Rechtsprechung (und juristischen Literatur) ist allerdings bislang noch nie entschieden worden, ob dies auch für einen Arbeitgeberverband gelten soll, den privatrechtliche Gesellschaften, die mehrheitlich öffentlich-rechtlich dominiert sind, gegründet haben, um ihre tarifpolitischen Interessen zu vertreten, insbesondere Tarifverträge mit den Gewerkschaften abzuschließen (was zum Kernbereich von Artikel 9 GG gehört).

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in dieser bisher ungeklärten Frage leider einen für uns ungünstigen Standpunkt eingenommen. Das Gericht hat allerdings zugegeben, dass die Frage bislang ungeklärt sei und deshalb die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Münster ausdrücklich zugelassen (diese werden wir nach Zugang des VG-Urteils sicherlich auch einlegen).

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf brauchte angesichts der (vermeintlichen) Unzulässigkeit unserer Klage zur Begründetheit der Klage nicht mehr Stellung zu nehmen.

Allerdings hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf in dem Parallelverfahren des NWO, der wegen seiner nicht öffentlich-rechtlich geprägten Mitglieder das o.g. prozessuale Problem nicht hat, gegen das Land Nordrhein-Westfalen (die ursprünglich ebenfalls für heute vorgesehene mündliche Verhandlung in dieser Sache war vom Verwaltungsgericht vor wenigen Tagen auf den Sommer vertagt worden) den Parteien ausdrücklich schriftlich mitgeteilt, dass es erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der den ÖPNV betreffenden Bestimmungen des NRW-Tariftreuegesetzes hat und ernsthaft in Betracht zieht, die §§ 4 Abs. 2 und 21 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgerichtshof NRW nach Artikel 100 Abs. 1 GG vorzulegen. Eine solche Richtervorlage an das Verfassungsgericht wäre notwendig, weil ein Verwaltungsgericht selbst nicht befugt ist, ein Bundes- oder Landesgesetz für verfassungswidrig und damit nichtig zu erklären.

Auch wenn es für uns zunächst nur ein „schwacher Trost“ ist, werden die eigentlich wesentlichen Fragen der Verfassungswidrigkeit des Tariftreuegesetzes also in wenigen Monaten in dem Verfahren des NWO doch noch zur Entscheidung beim Verwaltungsgericht Düsseldorf gelangen. Insoweit gibt die schriftliche Äußerung des Verwaltungsgerichts, das Land NRW habe bislang nichts dafür dargetan, dass im Bereich des ÖPNV unangemessen niedrige Löhne gezahlt würden, weiterhin Anlass zu Optimismus; insbesondere erschließt sich dem Gericht nicht, warum das Entgeltniveau des NWO die gesetzlichen Ziele des Tariftreuegesetzes (Bekämpfung von Dumpinglöhnen und untertariflicher Bezahlung) verfehlen soll. Das Gericht zieht damit die Erforderlichkeit der gesetzlichen Regelung ernsthaft in Frage. Außerdem stellt das Gericht sich die Frage, ob der Landesgesetzgeber nach Inkrafttreten des Bundes-Mindestlohngesetzes noch zur Gesetzgebung in diesem Bereich befugt ist.

Selbstverständlich wird der AGVDE wegen des weiteren prozessualen Vorgehens eine enge Abstimmung mit dem NWO suchen (schon bisher gab es diese Abstimmung).

Im Übrigen werden wir natürlich unsere eigene Klage durch Einlegung der Berufung beim OVG Münster in II. Instanz weiter betreiben.